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Plastiktüten sichergestellt

Man nehme einen Koffer, 34 Polizeibeamte, 83 Passanten und 23.000 Feierabendverkehrer. Alle hatten ihren Auftritt im heute aufgeführten Schauspiel „Gefahr im Weddinger Verzug“.

Ein herrenloser Koffer an der Kreuzung Müllerstraße/ B96 löste gegen 17h Polizeialarm aus. Die herbeigerufenen Beamten sperrten eifrig und großzügig die Kreuzung, um sich fortan von allen herumlaufenden Passanten begaffen zu lassen. Zu Beginn der Sperraktion war die Hand des Gesetzes noch großzügig. Je länger die Aktion jedoch dauerte, desto härter wurde die Sicherheit der Berliner verteidigt. Als ich um kurz vor halb sechs aus der U6 kam, um die bereits dem Autoverkehr unerreichbare Straßenkreuzung zu überqueren, erlaubten mir die Herren in Grün noch das direkte Passieren des Sicherheitsrisikos. Wenige Minuten später konnte ein mir nicht unbekannter Fotograf gegen Vorlage seines Presseausweises sogar noch bis an ihn herantreten und Portraitaufnahmen machen. Weitere 15 Minuten später vergrößerten die Beamten den Ruhebereich des Koffers. Nun war es Außenstehenden nicht mehr möglich den eigentlichen Grund der Sperrung zu erkennen.

Weitere 10 Minuten später erweiterten die Beamten nochmals abgeriegelte Gebiet und fortan mussten sogar Kunden der angrenzenden Geschäfte in ihnen verharren.

Zwischenzeitlich waren wir des Spektakels müde und bogen in die Schönwalderstraße ein. Vor unserem Haus standen einige unserer Nachbarn, die wir sofort über die Sperrung und ihren Grund (einen Koffer) informierten. Überrascht wurden wir von der präzisen Beschreibung des eingezäunten Koffers, der unserem Nachbarn offenkundig schon einmal begegnet war. Schnell war klar, es handelte sich um den Transportbehälter von Elektroschrott und -bastlerkram. Er bekam es kurz zuvor in seinem Techniktrödelladen angeboten. Da er sich aber nur für den Inhalt des Koffers, nicht aber für ihn selbst interessierte, wurde der Koffer nachdem er seine Dienste verrichtet hatte, in unmittelbarer Nähe herzlos ausgesetzt.

Schade war nur, dass die Polizei diesen Aussagen keine Beachtung schenken konnten. Sie gaben uns den Hinweis, dass sie kein Personal mehr für die Aufnahme der Zeugenaussage bereitstellen konnten, weil bereits das „Große Programm“ gebucht war und das Räumkommando sich auf dem Weg befand. Neugierige wie Beamte warteten auf die eintreffenden Experten in Dunkelgrau. Nach 90 min waren die vor Ort. Sie fanden im Koffer die vom potenziellen Zeugen in kleinerem Kreis bereits beschriebenen zwei Plastiktüten und stellten sie professionell sicher. Vorhang zu.

Jetzt geht alles sehr schnell

Ich habe lange nichts über den Laden im Nachbarhaus geschrieben. Dabei ist immer mal etwas passiert. Nur waren es leider keine grundlegenden Bewegungen, von denen ich hätte berichten können. Vielmehr stand ich viele Morgen vor der Schaufensterscheibe und fragte mich, ob nicht doch jemand da gewesen ist. Aber der Reihe nach:

Ende 2008 wurde ich fast täglich mit neuen selbstgemalten Botschaften umworben. Der Ladenbesitzer pinselte gegen seine kaufmännische Herbstdepression. Er preiste wechselnd die Sonderkonditionen aller Handyatrifmodelle und -anbieter. Als erstmals auch ein Kindermotorrad im Angebot war, bekam ich den Hauch einer Ahnung, dass hier alles versucht wird. Vor ein paar Tagen nun standen die Ausstattungsutensilien der Anbieterfirmen zum Verkauf. Wer zwei Nokia-Regale erwerben wollte, brauchte dafür nur 50 Euro. Nur kaufen konnte man sie nie, denn zur Überbrückung von Angebot und vielleicht vorhandener Nachfrage fehlte der Verkäufer. Seit Wochen war er nicht mehr aufgetaucht und die angeschlagenen Öffnungszeiten nicht mehr als eine Absichtserklärung.

angebote

Mich hatte die geschlossene Ladentür noch nicht irritiert. Zu Beginn des Jahres traf ich auf das gleiche Bild. Dieses wurde dann um einen Zettel erweitert, auf dem vermerkt war, dass er sich um seinen zweiten Laden derzeit mehr kümmere und demnach in der Badstraße zu erreichen sei. Dieser Ladenzustand wurde abgelöst von einer kleinen Sortieraktion und neuem Personal: die Handyangebote verschwanden unter den Ladentisch und das Reisebüroregal wurde entstaubt und nach vorn geschoben. Ein kleiner Schreibtisch ersetzte die Ladentheke und der Verkäufer jetzt täglich im Geschäft. Nur hatte er auf einmal einen hochtoupierten Zopf und war während der Öffnungszeiten vorrangig am Zustand seiner Fingernägel interessiert. Seine Schwägerin/Schwester/Freundin oder Bekannte war aber ebenso unerfolgreich und schonbald blieb die Tür wieder verschlossen. Die zu Verschönerungszwecken aufgestellten Blumen vertrockneten.

Ich musste jetzt sehr aufmerksam beobachten, um herauszufinden, ob überhaupt noch jemand den Laden betrat. Manchmal war der Stuhl morgens etwas weiter vom Tisch abgerückt als abends. Die Tür zum Hinterraum stand mal auf und war anderntags doch auch mal verschlossen. Auffälliger war das Ausräumen bestimmter Gegenstände. Eines Tages fehlte ein Wandregal, dann lag mehr Müll auf dem Boden oder Waren aus dem Schaufenster verschwunden. Lange war klar, das wird nicht mehr gut. Meine Vertragsverlängerung habe ich lieber online vorgenommen, statt dieses Geschäft aufzusuchen.

Jetzt in den letzten Tagen ging doch alles sehr schnell. Noch bevor ich realisierte, dass die nächtlichen Räumaktionen die Auflösung des Ladens bedeuteten, hingen neue Leute in Arbeitsklamotten hinter der Glasscheibe rum. Was die neuen Mieter auf den Markt bringen werden, ist noch geheim. Sie haben sich hinter Tageszeitungseiten verbarrikadiert:

zeitungsgeheimnis

20 Jahre Mauerfall

Einheit

Auf der Grünfläche Chauseestraße/Liesenstraße steht das von Hildegard Lest bereits 1962 – also ein Jahr nach dem Mauerbau – entworfene Kunstwerk „Wiedervereinigung“. Es wurde damals so aufgestellt, das mit Blick in Richtung des Grenzüberganges Chausseestraße es aussah, als reichten sich zwei Menschen über eine Kluft die Hände.
Heute ist diese Kluft verschwunden und der Grenzübergang Chausseestraße würde beim Passieren der ehemaligen Kontrollstelle ohne die aufgestellte Erinnerungsplexitafel unbemerkt bleiben. Die Wiedervereinigung, die sich Hildegard Leest 1962 wünschte, ist bereits 20 Jahre Realität. Ost und West haben sich die Hände gereicht – zumindest einige.

Als ich vor einigen Tagen auf die Grünfläche einbog, leuchtete die aus Muschelkalkstein gefertigte 2,40 Skulptur heller als an anderen Tagen. Das Kunstwerk wurde „neuzeitlich interpretiert“ und von einem Unbekannten um einen orangefarbenen Plus-Einkaufswagen erweitert. Wollte uns dieser nicht entdeckte Interpret damit sagen, das die fehlende Warenvielfalt, der eingeschränkte Konsum und die häufigen Versorgungsengpässe den Wunsch von Hildegard Leest erfüllten?

Die neue (nicht mehr vorhandene) Bezirksgrenze

These: Ab 2012 verläuft die Grenze zwischen Wedding und Mitte wie dargestellt.

Der Wedding kommt…

Der Wedding kommt nicht, er war immer da. Der Wedding kommt anders. Der Wedding kommt, wir sind schon da. Der Wedding kommt wieder, Berlin bleibt rot.

All diese Überschriften sind googelbar. Viele andere erscheinen turnusgemäß in Stadtmagazinen oder Zeitungsbeilagen. Der Weddinger selbst interessiert sich wenig dafür. Aber wir im Pankekiez schauen auf diese Schlagzeile und denken dabei immer häufiger an die Baustelle in der Chausseestraße. Es ist keine gewöhnliche Baustelle. Ein blickdichter Holzzaun verhindert die Sicht auf das Baugeschehen. Zusätzlich stehen alle paar Meter Laternen und Videokameras und achten darauf, dass dies so bleibt. Ein Wunder, dass die Bewohner gegenüber keine blickdichten Gardinen erhalten haben. Im Mai 2008 war Grundsteinlegung und 2012 sollen die Räume bezogen sein. Wir sind gespannt.

Aber noch ungeduldiger betrachte ich die Randentwicklungen. Auf der Rückseite des BND hat Meermann zugeschlagen, der Herr mit dem gleichnamigen Immobilienunternehmen hat bereits 11 Reihenhäuser gebaut, plant weitere davon, sowie Eigentumswohnungen und ein Hotel im ehemaligen Krankenhaus. An der Chausseestraße selbst ist noch nicht soviel von der Entwicklung zu sehen. Ein Immobilienunternehmen ist in das Untergeschoss eines gegenüberliegenden Altbaus gezogen. Ich weiß nicht, ob in der Hoffnung den 4000 hier erwarteten BND-Mitarbeitern ein Direkt-Angebot unterbreiten zu können?

Dann hat sich noch jemand selbstständig gemacht und die Buchstaben „STADION DER WELTJUGEND“ über seiner neu erworbenen Gastwirtschaft abgenommen und gegen „Bakery deli“ eingetauscht. Der Neubesitzer muss auch Neuberliner sein, denn sonst hätte er die Buchstaben behalten und zum Leuchten gebracht.

Eine Tankstelle auf dem ehemaligen Mauerstreifen ist auch schon entstanden. Total erwartet seit wenigen Tagen wohlhabende Benzinkäufer gleich neben den Goldenen Häschen. Die andere musste dem BND-Bau weichen.

Aber zurück zur These „Der Wedding kommt“. Auch ich glaube, dass der Verwaltungsfusion niemals eine gelebte Fusion von Wedding und Mitte folgen wird. Aber ich denke Mitte wird sich ausweiten. Mit dem Bau des BND wird es Änderungen geben, die dem Wedding ein Teil seines Gebietes streitig machen werden. Sicher wird nördlich der Ringbahn der Besitz verteidigt werden, aber bis dahin hat die Fusion (die die meisten ja als Übernahme verstehen) eine Chance. Oder ist Hoffnung der Vater des Gedanken?

Verreisen mit Handy!

Der Laden meiner Beobachtung ist offensichtlich fertig eingeräumt und eröffnet. Diesmal hat der neue Besitzer auf Luftballons oder sonstige Hinweise auf den Neuanfang verzichtet. Ein Handy-Laden ist es geworden. Aber nur auf den ersten Blick. Geht man hinein oder presst die Nase ganz dicht an die Scheibe, so sieht man an der hinteren Wand noch ein Regal stehen, das Reisebüros nutzen, um ihre Kataloge zu präsentieren. Ich hatte erwartet, dass es Handybroschüren bereitstellen sollte, aber es liegen dort mittlerweile tatsächlich Reisekataloge drin – von Öger Tours. Das nenne ich Marktkonform. Hier kann der Weddinger also seine Reise zu den Verwandten buchen und gleichzeitig ein neues Telefon für sein Handypark kaufen. Wenn jetzt noch eine Schmuckvitrine mit Goldkettchen aufgebaut wird, bin ich mir sicher meine Beobachtungen einstellen zu können. Dann bleibt der Laden länger bestehen, als ich hier wohnen.

Lange Zeit wusste ich nicht, ob es jetzt das Endergebnis sein soll, denn hier wurden alle Utensilien von Nokia, eplus, debitel, t-mobile, vodafone und O2 verklebt, aufgestellt oder angebaut, die zu kriegen waren. Der Laden sieht verkramt aus und stets habe ich beim Vorbeilaufen das Gefühl, dass hier noch nicht alles seinen Platz gefunden haben kann. Hoffentlich!

Der einzige Nicht-Handy-Aufkleber zierte am 18. August 2008 noch die Schaufensterscheibe und wurde von mir so interpretiert, dass hier offensichtlich noch jemand zum Aufräumen gesucht wird.

Da der Zettel aber mittlerweile verschwunden, das Interieur aber noch immer unsortiert herumsteht, ist entweder die Aufgabenverteilung anders gedacht oder das Praktikum noch nicht begonnen worden.

Hier tut sich etwas

Zurück im Pankekiez musste ich entdecken, dass sich etwas im Ladenlokal meiner Beobachtung tut. Was genau, ist noch nicht zu erkennen. Ich glaube aber nicht, dass es der erwähnte Bio-Veganer wird. Ich halte euch auf dem Laufenden.

Ladenlokal sucht Existenzgründer(in)

Seit längerem nun schon bietet sich mir täglich das gleiche Bild: mit blauem Neonlicht macht der Laden auf sich aufmerksam. 30 m² sofort zu vermieten. Ich denke oft darüber nach, was sich denn darin halten könnte. Teppich Aladin hat die Räume auf der anderen Seite der Straßenkreuzung belegt, nachdem die Sparkasse eine Ecke weitergezogen ist. Nachbarn des Ladenlokals sind zwei Fleischer: ein deutscher und ein libanesischer. Bei der Fleischerei Kahl ist ab morgens um sechs Hochbetrieb. Bouletten, Pommes, Kohlrouladen und Erbsensuppe und dazu einen Kaffee zieht Polizisten wie Bauarbeiter an. Auch beim libanesischen Fleischanbieter ist viel los, wenn auch auf Imbissangebote gänzlich verzichtet wird. Ein Fleischer – welcher Ausprägung auch immer – wird sich zwischen diesen Nachbarn sicher nicht etablieren lassen.

Ich hätte gern morgen einen Cafe Latte to go. Das wäre was. Eine kleine, aber feine Cafe-Station. Aber ich glaube, das ich mit diesem Wunsch nicht die Mehrheit repräsentiere. Gegenüber hat die am längsten dauernde Baustelle endlich geschlossen und den Blick auf ein Ärzteeck freigemacht. Eine Etage ist auch bereits vermietet und seit wenigen Tagen bieten drei Zahnärzte dort ihre Dienste an. Vielleicht ist dies die Chance für das Ladenlokal? Das fände ich hübsch. Nur bitte keine Apotheke.

Immer sonntags um 17 Uhr

In Deutschland sind 31,2 Prozent der Bevölkerung katholisch und 4,4 Prozent gehen zur sonntäglichen Messe. Als ich heute auf der Müllerstraße unterwegs war, vermutete ich einen neuen Aufwärtstrend. Denn weit mehr Menschen als diese Zahlen hergeben, waren auf dem Weg in die Pfarrkirche St. Joseph. Ich wurde neugierig und ging hinterher.

Drin war es rappelvoll. Wir schauten uns ungläubig an. Unsere Neugier hielt uns einige Minuten zu lange in der Kirche: Die Messe begann. Der Pfarrer fing an zu sprechen und ich fühlte mich wie in der Sendung mit der Maus. Das war polnisch. Ein Blick in den Schaukasten vor der Tür bestätigte die Vermutung: Jeden Sonntag um 17.00 Uhr findet hier ein polnischer Gottesdienst statt. Also doch kein Aufwärtstrend für die katholische Kirche in Deutschland.

ab 14 Uhr heißt hier bis 18.28 Uhr

Das Quartiersmanagement Pankstraße hatte zum Kiezfest geladen. Ab 14h sollten unter dem Motto Kulturolympiade Internationale Musik, kulinarisches Essen, Kinderangebote, Infostände und ein Bühnenprogamm am Nettelbeckplatz geboten sein.

Als wir uns um 18.25 Uhr zum Nettelbeckplatz aufmachten, konnten wir bereits die Musik von unserer Haustür aus hören. Die Erwartung stieg. Doch bei näherem Betrachten bot sich ein trauriges Bild: Von den Infoständen waren nur noch die Stände übrig. Wenn es mehr als zwei Kinderangebote gegeben hat, so waren die schon weg, die anderen zwei am Einpacken. Vom kulinarischen Essen war nichts mehr zu sehen oder zu riechen. Oder zählt man Zuckerwatte dazu?

Auf der Bühne gab es noch eine Rap-Group in Aktion. Bei näherem Hinhören, war aber auch das wenig festlich. Zwei der Jung-Rapper hatten offensichtlich ihre jeweiligen Geschwister verloren und widmeten ihnen ein Lied. So hörten wir noch eine Liebeserklärung an einen toten Bruder und eine an eine verlorene Schwester. Dann war auch das Bühnenprogramm zu Ende. Der Abend war schneller rum war als gedacht. Wir brauchten ein Alternativprogramm. Also ab zu Karstadt! Schön sind solche Feste, die vor Ladenschluss durch sind.