Archiv der Kategorie: 1+1=4

Es tobt der Betreuungsgeldkrieg

Image

Die Schlacht um das Betreuungsgeld tobt. Leider. Immer noch. Das Betreuungsgeld – vielen als Herdprämie bekannt – soll unbeirrt der öffentlichen Meinung eingeführt werden. Mich treibt das Betreuungsgeld nicht an den Herd, sondern ins Büro. Denn ich darf mich damit – berufsbedingt – noch stärker beschäftigen als andere. Freude macht mir das nicht. Denn es lenkt ab. Zu Beginn des Jahres dachte ich noch, wir würden stärker über Arbeitskultur, Zeitwohlstand und Vereinbarkeit reden. Denn wir erwarteten den 8. Familienbericht zu diesem Thema. doch leider ist nix mit ernsthafter Debatte, nix mit konkreten Ideen. Überall nur Betreuungsgeldkrieg. Gewinnen müssen wir den trotzdem, denn es ist leider nicht irgendein kleines Ding.

Dabei wäre alles so einfach. Fast alle haben erkannt, dass das Betreuungsgeld nicht zur Verbesserung der Lebenssituation von Familien in Deutschland beiträgt. Im Gegenteil: Diese sogar verschlechtern kann.

Alle sind gegen das Betreuungsgeld: Neben der SPD auch Grüne, Linke und Piraten. Die EU. Die Julis. Eigentlich auch die FDP. Die Medien sind gegen das Betreuungsgeld. Die Arbeitgeber sind gegen das Betreuungsgeld. Die Gewerkschaften sind gegen das Betreuungsgeld. Kirchenvertreter mischen sich in die Debatte und erläutern ihre Ablehnung zum Betreuungsgeld. Die Mehrheit der Bevölkerung ist gegen das Betreuungsgeld. Und was macht Kristina Schröder? Überlässt ihr Ministerium der CSU.

Nicht einmal die innerparteilichen Betreuungsgeldgegner können sie stoppen. Die Wirtschafts- und Sozialpolitiker der CDU sind gegen das Betreuungsgeld protestieren. 23 Mitglieder der Bundestagsfraktion der Union haben Volker Kauder ihre Protestnote gegen das Betreuungsgeld schriftlich zukommen lassen. Aber alle Argumente helfen nicht.

Während alle die Einführung dieser Kitaabmeldeprämie verhindern wollen, werfen Kristina Schröder und Alexander Dobrindt sich gegenseitig Nebelkerzen über die Details zu. Auf einen Gesetzentwurf müssen alle Interessierten weiterhin lauern. Er war bereits für Ostern angekündigt und soll nun doch bis kurz vor der Sommerpause auf sich warten lassen. Solange sind wir Zaungast öffentlicher Verhandlungen und nebeliger Schlachten der Regierungskoaltion über eine Leistung, die niemand außer ihnen will. Kristina hat nun das erste Detail aus dem Sack gelassen. Sie will die Zahlung des Betreuungsgeldes an die Teilnahme der Früherkennungsuntersuchungen knüpfen. Obwohl das bayerische Landeserziehungsgeld genau dies auch verlangt, lehnt die CSU dies ab. Damit hab ich nicht gerechnet. Ich bleibe verdutzt zurück. Erklärbarer wird das Tauziehen dadurch nicht.

Täglich neue Nachrichten zum Betreuungsgeld, täglich neue Widerstandsmeldungen.

Liebe CDU, bitte beendet diese Debatte. Sie lenkt ab von den wirklichen Herausforderungen, die vor uns liegen. Der U3-Ausbau ist beschlossen, aber noch längst nicht realisiert. Wir brauchen alle Energie für die Umsetzung des Rechtsanspruches. Verlieren sie den nicht aus dem Auge. Ich erwarte eine ernsthafte Unterstützung und kein ausweichendes Gelaber, von wegen nicht abgerufener Mittel. Wir brauchen mind. ein Investitionsprogramm zwei, um auch in den Folgejahren den Ausbau bewerkstelligen zu können. Wir brauchen aber auch eine qualitative Verbesserung der bestehenden Einrichtungen. In Berlin hat der LEAK ein Volksbegehren initiiert und dafür gesorgt, dass der Betreuungsschlüssel verbessert wurde. Aber das war nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wenn 2013 Kommunen die Standards senken, weil 2012 Kristina über das Betreuungsgeld redet und Bücher schreibt, statt an der Umsetzung mitzuarbeiten; dann werde ich zu anderen Mitteln als Unterschriften greifen.

Heute habe ich das noch gemacht. Aber lange wird das nicht mehr helfen. Wollt ihr auch? Dann hier: www.nichtmeineministerin.de

Kristinas Elterngeld

Eine Pressemitteilung erreicht meine Aufmerksamkeit. Das Elterngeld sei ein Erfolgsmodell vermeldet das Bundesfamilienministerium. Diesen gefühlten Erfolg würde nun auch eine Studie wissenschaftlich bestätigen. In den dann folgenden Zeilen der Presseinformation bricht die Freude – immer abgesichert durch Zahlen – in jedem Absatz durch. Auch ich freue mich: Über die Existenz dieses Elterngeldes. Über die Möglichkeiten die es bietet. Darüber, dass ich es schon zweimal in Anspruch genommen hatte und sich so gut anfühlte. Aber auch über die Tatsache, dass man 5 Jahre danach häufiger über seine Weiterentwicklung als Abschaffung redet.

Das war in den vergangenen Jahren nicht immer so. Ich erinnere mich daran, dass der Erfolg des Elterngeldes von einigen immer nur daran gemessen wurde, ob dadurch nun mehr oder weniger Kinder geboren werden. Schön, dass es heute auch darum geht, welche Auswirkungen es hat. Darüber, dass immerhin schon 25,7 Prozent der Väter in Elternzeit (wenn auch meist nur die obligatorischen 2 Monate) gehen. Vielen ist das verständlicherweise noch zu wenig. Aber ist es verboten sich darüber zu freuen, das der Anfang gemacht ist? Aber genug der Details, die es auszuwerten lohnt.

Denn in all die Freude mischen sich interessante Gedanken und mulmige Gefühle. Ich denke darüber nach, wie das Elterngeld wohl geworden wäre, wäre Kristina schon 2007 dafür verantwortlich gewesen. Modelle schießen mir in den Kopf.

Zum Beispiel dieses: Frauen, die ihr Einkommen während der Schwangerschaft um 50% bei gleichbleibender Arbeitszeit reduzieren, können dies nach der Geburt wieder ausgleichen, indem sie dann weiterhin 50% ihres Lohnes für nochmals den gleichen Zeitraum erhalten, aber in dieser Zeit nur jeden zweiten Tag zur Arbeit gehen müssen. Oder noch besser: In der Schwangerschaft für ohne Lohn voll arbeiten und danach wieder Geld kriegen für nicht hingehen.

Oder so: Unternehmen dürfen sich jedes Jahr eine eigene Geburts-Quote überlegen, die sie erreichen wollen. Damit legt das Unternehmen selbst fest, wieviel weibliche Mitarbeiterinnen in dem dafür vorgesehenen Zeitraum schwanger werden dürfen. Im Jahr darauf muss die Quote dann höher ausfallen als im vorangegangenen. So würde Schröder Jahr für Jahr die Geburtenrate pro Unternehmen steigern. Bezahlen muss das keiner, weil ohne ausreichend Kitaplätze, kommen Frauen gar nicht oder nur weniger Stunden pro Woche zurück. So spart das Unternehmen jährlich mehr Personalkosten.

Lächerlich? Klar! Finde ich auch.

Aber genauso lächerlich finde ich die Schröder. Was hilft mir eine Bundesfamilienministerin, die viel über die Probleme redet. Aber immer wenn es konkret wird, freiwillig wird. Ich finde, man kann nicht den Erfolg des Elterngeldes feiern und in der gleichen Rede andere Vorschläge als staatliche Umerziehungsprogramme geißeln und ablehnen. Wunsch und Wirklichkeit bedingen sich einander. Nur wer Leitbilder hat und diese verfolgt kann etwas erreichen. Manchmal hilft darüber zu reden, aber reicht es auch aus? Ich glaube nicht!

Deswegen habe ich drei Wünsche auf einmal:
Liebe Kristina, werde konkret!
Liebe Frau Schröder, hören Sie auf allen alles selbst zu überlassen!
Sehr geehrte Frau Dr., machen Die doch mal etwas verbindliches!

Und kommt mir jetzt bloß nicht mit Kinderüberraschung. Die hilft hier auch nicht.

Er trägt schon 68 und ich?

Soviel wollte ich nebenbei machen. Ein Buch schreiben oder zumindest regelmäßig Texte für diese Seite hier. Einen Master machen oder zumindest einen VHS-Kurs abschließen. Einmal das Mittelmeer umfahren oder zumindest Frankfurt am Main gesehen haben. Nach 9,5 wochen habe ich das erste Kapitel begonnen, mich in Kinderkrankheiten und Babypflege weitergebildet und bin schon bis nach Kiel zu meinen Schwiegereltern gereist.

Unser Nachwuchs trägt bereits Größe 68 und aus mir ist immer noch keine Heidi Klum, Angelina Jolie oder Michelle Obama geworden. Sie machen es uns vor: Eine Mutter umsorgt liebevoll ihr Kind und versorgt souverän den Haushalt. Sie pflegt gute Beziehungen zu allen Freunden, Verwandten und Anverwandten. Sorgt für ihren Lebenspartner/Mann und liest ganz nebenbei die neuesten Fachbücher der Gesundheits- und Ernährungswissenschaft. So wird sie später nicht nur Ökotrophologin, sondern kann nebenbei als Foodjournalistin etwas dazuverdienen!

Ich bin nicht wie diese Rolemodels und entspreche schon gar nicht den Werbebildern einer jungen Mutter. Aber welche Mutter tut dies schon? Zum Milch abpumpen lege ich weder Schmuck an, noch trage ich Schminke auf. Die Frau auf der Verpackung meiner Pumpe schon! Ich öffne dem Postboten auch nachmittags noch im Bademantel die Tür, obwohl ich bereits seit Stunden auf den Beinen bin. Das Kind auf meinem Arm lächelt nicht, sondern unterhält sich mit mir. Andere würde sagen: Es schreit! Dabei vermitteln mir Elternmagazine, Bücher, Werbe- und Kinofilme ein anderes Bild. Ich bin reingelegt worden. Ich bin weder eine Re-Start-, noch eine Multi-Handling- und schon gar keine Latte-Macchiato-Mutter. Mir ist nicht klar, welche Lebenswelten Fanta und das Zukunftsinstitut untersucht haben, um diese und 6 weitere Muttertypen zu entdecken.

Aber im Ernst! Was ich festhalten möchte ist, dass eine Mutter heute beides sein soll: Fels in der Familienbrandung und Arbeitsbiene. Das viele Frauen auf diese Anforderung mit der Reduktion ihrer Arbeitszeit reagieren, kann ich zumindest verstehen, wenn auch nicht nachmachen. Ich muss den Beweis noch antreten, dass ich Vollzeit arbeiten gehen und mich um den Nachwuchs zur Hälfte kümmern kann. Ich hoffe, dass ich an diesem öffentlichen und auch eigenen Anspruch nicht scheitern werde.

Und dennoch weiß ich, dass ich trotz der beabsichtigten voll umfänglichen Arbeitsplatzausübung für viele KollegInnen nach meiner Rückkehr nicht mehr die gleiche sein werde. Ich werde um 16.15 Uhr das Haus verlassen, weil ich den Kindergarten vor seiner Schließung erreichen muss. Letzte Woche habe ich den Betreuungsplatz für unseren Kurzen klar gemacht. Seit dem denke ich viel über mein Vereinbarkeitsexperiment nach. Das Objekt unserer Kinderbetreuungsbegierde hat bis 17 Uhr geöffnet. Ich kann und will mich darüber nicht beschweren. Ich kann nicht, weil in vielen Teilen Deutschlands dies als Betreuungsoase gilt, angesichts einiger Orte, in denen Kinder um 12 abgeholt und nach dem Verzehr des heimisch zubereiteten Mahls wieder hingebracht werden. Und ich will nicht, weil nicht längere Öffnungszeiten, sondern eine Änderung unserer Arbeitskultur die Lösung sein muss. Leider hat sich diese Erkenntnis noch nicht sehr weit durchgesetzt. Vielmehr wird erwartet, dass wenn man sich schon die Beine ausreist, dass man mit den Armen einfach ebenso verfährt. Ich erwische mich oft bei der Frage wie viel Kinder man max. haben kann, wenn man Vollzeit tätig bleiben will?

Wann endlich sind Termine nach 16.00 Uhr Vergangenheit? Wann endlich gilt der junge Mann, der am nächsten Tag übermüdet über den lang gewordenen Arbeitstag stöhnt, als unorganisiert statt bewundernswert? Wann endlich proben junge Frauen in den Betrieben den Aufstand, statt das Teilzeitmodell?

Das werde ich in den nächsten Jahren sicher häufiger fragen. Ich bin nicht mehr Teil dieser Arbeitskultur, sondern fühle mich von ihr bedroht. Ich habe die Seiten gewechselt. Wahrscheinlich bin ich nichts weiter als eine Lobbyistin. Und die haben es bekanntlich nicht leicht.

Die Tasche steht wieder im Schrank

Der erste Monat liegt hinter mir. Ich lebe jetzt in einer neuen Zeitrechnung, sozusagen n.Ge* wie Leute mir glauben machen wollen, die ihr Leben nur noch in ein Davor und ein Danach teilen, sobald das erste Kind geboren ist. Keine Frage, so ein Kind ist ein einschneidendes Erlebnis, aber eben auch kein Tsunami. Es hat sich über mehrere Monate angekündigt und durch verschiedenste Instrumente stetig bemerkbarer gemacht. Ich persönlich kann dem verbalen Getöse nichts abgewinnen. Nur damit keine Missverständnisse aufkommen: Der Kleine ist zuckersüß und hat unsere Herzen schnell erobert, aber es muss dennoch erlaubt sein zu sagen, das zuviel einfach zuviel ist. Ich persönlich begrüße es sehr, dass Frauen heute nicht mehr auf das Kinder bekommen reduziert sind. Sie besitzen heute Qualifikationen und Bedürfnisse, Fähigkeiten und Wünsche, die sie nach mehr streben lassen. Heute muss keine Frau mehr ihr Leben lang mit Geschichten von der Geburt ihrer Kinder alle An(Verwandten) tausendfach langweilen. Es werden nicht die einzigen Höhepunkte in ihrem Leben bleiben. Diese Aussicht stimmt mich versöhnlich mit der jetzigen Situation: Zu Hause und in der Kernarbeitszeit allzeit zuständig für den Nachwuchs zu sein. Ich habe mich dazu entschlossen 12 Monate Elternzeit zu nehmen und somit den weit größeren Anteil der zustehenden 14 Monate nutzen. Ich könnte jetzt sagen, weil es nicht anders geht. Das erscheint uns so, aber ob es stimmt, weiß ich bis heute nicht. Und dennoch klage ich auf hohem Niveau, denn das Büro des Dritten im Bunde befindet sich in den Betreuungsräumen und so kann er unterstützend eingreifen. Macht er auch. Purer Luxus im Vergleich zu den Werktätigen, die morgens pünktlich aus dem Haus müssen und erst nach vollschichtiger Tätigkeit zurückkehren.

Und dennoch bin ich einiges entfernt von den Vorstellungen einer emanzipierten Familie, die Lisa Ortgies in einem Plädoyer zusammengefasst hat. Dieses Plädoyer erscheint Mitte August im Buchhandel und ich bin mir sicher zwischen den Buchklappen lassen sich viele kluge Gedanken finden. Denn vor kurzem konnte ich mich auf einer Veranstaltung der FES davon überzeugen, dass sie viele Ideen für eine gerechtere und zugleich organisierbarere Familienarbeit zusammengetragen hat. Ich bin gespannt und habe es daher schon vorbestellt.

Wieviel ich zum Lesen komme, hängt von meinem Organisationstalent ab. Ich verabscheue zwar den Begriff der Familienmanagerin, nicht weil ich ihn für falsch halte – hier ist viel zu managen und oft müssen drei Dinge mit einer freien Hand erledigt werden – sondern, weil er zu oft missbraucht worden ist. Ich brauche keine verbale Aufwertung meiner derzeitigen Tätigkeiten aus konservativer Ecke. Denn die meint damit meist, ich könnte bei diesen Aufgaben bleiben. Das wollen aber immer weniger Frauen. Das Modell Hausfrau wird ebenso abgelehnt, wie die Supermutti, die alles kann. Insofern freue ich mich auf das „Plädoyer für eine emanzipierte Familie“, denn ich erwarte die Beschreibung des goldenen Mittelweges. Nicht mehr und nicht weniger!

* nach Geburt

Die Ebert-Stiftung lud zum Duell

Treten zwei Kontrahenten freiwillig mit gleichen und potenziell tödlichen Waffen gegeneinander an, um eine Ehrenstreitigkeit auszutragen, spricht man – nicht nur laut Wikipedia – von einem Duell. Freiwillig waren Sie gekommen, um sich mit Worten über Formen und Farben, Erreichtes und Verpasstes des neuen und alten Feminismus auszutauschen: Lisa Ortgies, Ilse Lenz und Meredith Haaf sollten sich stellvertretend für Frauen ihrer Generation auf dem Podium duellieren. Als Unparteiische wurde die taz-Redakteurin Heide Oestreich dazwischen gesetzt. Waren die Generationen auf der Bühne noch zu gleichen Teilen vertreten, so waren die Anhängerinnen im Publikum ungleich erschienen. Meredith Haaf erhielt die geringste Unterstützung aus den Zuschauerreihen. Sie sollte sogar dafür verantwortlich sein, dass der heutige Feminismus so viel weniger Schlagkraft hat als zu seiner hiesigen Zeit. Zumindest eine Zuhörerin unternahm den Versuch eines Schuldspruchs.

Dabei waren die Beiträge der anderen Teilnehmer doch eher versöhnlich. Der Feminismus sei eine dauernde Bewegung und nimmt an Dynamik sogar zu, behauptet Ilse Lenz von der Ruhruni Bochum. Nachweisen will sie dies anhand von medial berichteten Ereignissen, die tendenziell zunähmen, wenn auf dem Weg auch Auf- und Abs zu verzeichnen seien. Lisa Ortgies und Meredith Haaf machten auch deutlich, dass sie ihre Vorgängerinnen keine ihrer Leistungen absprechen wollten, aber dennoch auf der Suche nach Antworten auf die neuen oder eben verbliebenen Fragen sind. Lisa Ortgies hat sich dem alten Leitmotiv „Das Private ist politisch“ gewidmet und versucht eine emanzipierte Familie zu beschreiben. Die Gleichstellung müsste vor allem in den Familien erreicht werden. Ihr Buch erscheint erst Mitte August, aber sie hat bereits kleine Gedanken aufblitzen lassen. Sie begrüßt zum Beispiel die Partnermonate beim Elterngeld, gibt aber zu Bedenken, dass die Männer nicht unter den gleichen Bedingungen in Elternzeit gehen könnten, wie ihre Partnerinnen. Denn für diese gilt der Kündigungsschutz ab dem Tag, an dem sie dem Arbeitgeber gegenüber ihre Schwangerschaft anzeigen. Männer haben diesen Schutz nicht und müssten noch immer viel zu oft mit einem Rauswurf rechnen, wenn sie ihre Elternzeit in Anspruch nehmen wollen. Auch wenn ich mir schon viele Gedanken um eine gerechte Lastenverteilung bei der Familiengründung und –realisierung gemacht hatte, so ist mir dieser noch nicht untergekommen. Das macht Lust auf mehr.

In der Diskussion haben Podium und Zuhörerinnen gleichermaßen festgestellt, dass Feministin sein, keine Frage des Geschlechts, sondern oftmals des Alters ist. Während Teens noch selbstverständlich von der Realisierung all ihrer Träume ausgingen, so haben die Twens schon erste Rückschläge erlebt und die Thirteens wissen, um die dahinterliegenden Mechanismen. Und sie haben eben doch etwas mit dem Geschlecht zu tun. Insofern müsste der Feststellung, die Meredith Haaf auf dem Podium äußerte, wonach ihr größtes Defizit vielleicht wäre, nicht politisch aktiv zu sein, der Parteieintritt sein. Und wenn nicht der, dann zumindest der Schritt in eine andere politische Organisation, wie z.B. eine Gewerkschaft. Aber leider folgt ein solch bindender Schritt viel zu selten der Feststellung nur von innen heraus etwas besser bewegen zu können. Was würde ich mich freuen, wenn Parteien endlich wieder en vogue wären. Denn gut sind sie bereits und vor allem besser als ihr Ruf.

Ursula meint: Kauft Kredite!

Die Bundesministerin für Familie hat vor wenigen Tagen in einer Pressekonferenz ihr Memorandum „Zeit für Familie“ vorgestellt. Mit Interesse habe ich ihre Ausführungen verfolgt, weil ich Aussagen erwartet habe, die unsere heutige Arbeitskultur kritisch in die Mangel nehmen.

Unbestreitbar sind ihre Äußerungen, wonach Familien mehr Zeit füreinander brauchen und Beruf und Alltag nur sehr wenig Zeit für Gemeinsamkeiten lassen.

Sofort denke ich an Vollzeit arbeitende Menschen, die es kaum schaffen die zeitlichen Anforderungen eines Arbeitstages im Rahmen der Öffnungszeiten ihrer Kita unterzubringen. Und diese gestressten Menschen sind schon zu den glücklicheren zu zählen. Denn neben ihnen gibt es immer noch, v.a. Frauen, deren örtliche Kinderbetreuungsangebote gar keine 8h-Tage zulassen.

Ich denke an Aussagen von Brigitte Zypries, wie hier anlässlich der Veranstaltung „90 Jahre Frauenwahlrecht“.

Mir fällt sofort die rechtliche Besserstellung der Langzeitkonten ein, wie sie Anfang Januar vom Arbeitsminister Scholz auf den Weg gebracht wurden.

Ich träume von deutschen Managern und leitenden Angestellten, die Sitzungen um 15.30h abbrechen und eine Fortsetzung für den nächsten Tag ankündigen. In Norwegen ist dies kein Traum, sondern Realität. Denn hier sind sich alle einig: ein Manager ist auch Familienmann. Eine leitende Angestellte eine Mutter.

Kurz: Ich teile die Analyse von Ursula von der Leyen, aber bereits ihr Lösungsansatz reißt mich aus meinen Vereinbarkeitsträumen. Ihre Vorstellungen sind weit von meinen entfernt. Sie denkt nicht an ein Aufbrechen der deutschen Omnipräsenz am Arbeitsplatz, sondern an Kreditangebote.

„Das Memorandum schlägt die Einführung eines Familienzeitkredits vor, der die finanzielle Lage von Familien in Phasen erleichtern würde, in denen sie mehr Zeit für ihre Familien brauchen. Ein solcher Zeitkredit ist ein zinsgünstiges Darlehen, mit dem vor allem Erwerbstätige vorübergehend aus dem Beruf aussteigen oder die Arbeitszeit verringern können, wenn die familiäre Situation dies erfordert. Vorbild wäre der bereits existierende Bildungskredit.“

Nicht nur in Zeiten, die unter dem Eindruck einer aus faulen Immobilienkrediten entstandenen Finanzkrise stehen, das falsche Mittel. Für mich kein denkbarer Ansatz. Mein Ratschlag: Besser diese Idee nicht wiederholen, liebe Ursula und schnell abtauchen.

Die Tasche ist gepackt – eine Reiseeinladung

Über den Spagat zwischen beruflichem Fortkommen und familiären Pflichten ist viel gesprochen worden. Allerhand Instrumente, Programme, Projekte und Studien dazu finanziert worden. Zweifelsfrei darf festgehalten werden, dass diese zur Verbesserung der Situation beigetragen haben. Aber nach wie vor muss man ihnen attestieren, nicht mehr als die Summe der Einzelmaßnahmen und damit keine Gesamtlösung zu sein.

Ich möchte euch mitnehmen auf eine Reise in diese Kluft zwischen Familie und Beruf, eben auch, weil ich mich am praktischen Anfang dieser Reise befinde. In wenigen Tagen werde ich mein erstes Kind zur Welt bringen und die Vereinbarkeit ist nicht mehr länger eine theoretische Diskussion verbunden mit Annahmen, Thesen, Vermutungen und Erwartungen. Vor mir liegt eine Welt voller Entscheidungen, Wegen, Zwangslagen und automatischen Abläufen.

Keine Angst. Dies soll kein Betroffenheitsblog werden! Auch wenn ich nicht als meinungsschwach bekannt geworden bin, werde ich trotz persönlicher Berührungspunkte stets bemüht bleiben allgemeingültige Betrachtungen in den Mittelpunkt des Blogs zu stellen. Aber gegen einen Realitätscheck ist ja sicher nichts einzuwenden?

Ich lade euch ein, meine Ausführungen der Kategorie “Zwischen Pudern und Promotion” zu begleiten und lautstark auseinander zu nehmen. Ich bin auf der Suche nach konstruktiven Kontroversen, Debatten und Streitgesprächen.

Wie hält man eine junge Beziehung frisch?

 Über das Verhältnis von jungen Frauen zur SPD

von Christina Schildmann und Katrin Molkentin

Im Wahlkampf 2009 will die CDU voll auf Senioren setzen, so steht es in den Strategiepapieren der Christdemokraten. Damit verraten wir kein Geheimnis, denn jedem ist klar, wie entscheidend die Älteren unser Land prägen werden – allein schon aufgrund ihres immer größer werdenden Anteils an der Bevölkerung. Aber dies sollte uns nicht den Blick verstellen auf eine Gruppe mit wirklich sozialdemokratischem Potenzial: die jungen Frauen. Um sie soll es in diesem Artikel gehen.

Ein Blick in die Empirie zeigt, dass junge Frauen nicht nur sozialdemokratisch wählen, sondern immer häufiger sozialdemokratisch denken. So unterschiedlich die Landtagswahlen 2008 in Hessen, Hamburg und Niedersachsen, aber auch 2007 in Rheinland-Pfalz sowie 2006 in Berlin und Sachsen-Anhalt auch waren, so haben sie eines gemeinsam: Die SPD verzeichnete Zuwächse, und diese waren jung und weiblich.

Besonders eindeutig ist der Befund in Hessen: Die Hälfte der 18- bis 29-jährigen Frauen wählten SPD: ein Zuwachs in dieser Gruppe von 23 Prozent. Auch die Frauen von 30 bis 44 wählten verstärkt sozialdemokratisch: zu immerhin 43 Prozent – ein Plus von18 Prozent. Der CDU hingegen zeigten die jungen Frauen die kalte Schulter: Nur 24 Prozent der 18- bis 29-Jährigen machten das Kreuz bei den Christdemokraten, ein ganzes Viertel weniger als 2003. Trotz einiger weiblicher Anmutungen im Erscheinungsbild: Die FDP bleibt eine Männerpartei, die CDU wird zur Partei der alten Männer, die Linkspartei ist die Partei der zornigen alten Männer. Die jungen Frauen gewinnt man offensichtlich nicht durch weibliche Fassade. Aber was genau ist es, das sie zur Sozialdemokratie treibt?

Frauen denken sozialdemokratisch

Aufstieg und Gerechtigkeit – unter diesem Motto hat die SPD ihren zweiten Zukunftskonvent veranstaltet. Diese Kombination ist nicht nur originär sozialdemokratisch, sie umschreibt auch höchst treffend das Lebensgefühl junger Frauen. Dies illustriert die BRIGITTE-Studie 2008. Diese, von Jutta Allmendinger – der Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung – betreute Studie untersucht die Einstellungsmuster von 17- bis 29-jährigen Frauen und trägt den bezeichnenden Titel „Frauen auf dem Sprung“. Die Studie zeigt: Junge Frauen, egal ob aus Nord oder Süd, Ost oder West, unabhängig auch vom Bildungsniveau, sind selbstbewusste Optimistinnen. Für ihre Zukunft sehen sie alles, nur nicht schwarz. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts sind PISA-Verlierer männlich und Bildungsgewinner weiblich. Zwischen 1990 und 2006 stieg der Frauenanteil unter den Abiturienten von 46 auf 55 Prozent. Für die jungen Frauen gibt es nur eine mögliche Richtung: aufwärts, wenngleich in kleinen, realistischen Schritten.

Zu dieser maßvollen Aufstiegsorientierung gesellt sich das Bedürfnis nach Gemeinschaft und sozialer Gerechtigkeit. Junge Frauen wollen aufsteigen, aber nicht auf dem Egotrip. Sie lehnen nicht den Wettbewerb ab, aber sie sperren sich gegen die Vorstellung, dass der Wettbewerb zum dominierenden Prinzip wird. Sie wollen in der Gemeinschaft vorankommen und dabei auch Verantwortung für andere übernehmen.

Diese Mischung aus Bildungshunger, Aufstiegsentschlossenheit und Gemeinwohlorientierung macht die junge Frauengeneration zu einer ähnlich interessanten Zielgruppe wie die bildungshungrigen Männer der 70er Jahre. Wie damals junge Männer zweite (Aus-)Wege suchten, sind heute die jungen Frauen die aufsteigende Gruppe in der Gesellschaft, die viel leistet und entschlossen ist, ungerechte Spielregeln zu ändern, statt sich ihnen zu unterwerfen. Gerechtigkeit ist eine wichtige Kategorie für die jungen Frauen. Sie empfinden die Verteilung von Gütern und Einfluss in Deutschland als besonders ungehörig, die sozialen Unterschiede als besonders kapital, die Gesellschaftsordnung als besonders starr. Kurzum: Die Gesellschaft ist in ihren Augen ausgesprochen verbesserungsbedürftig – verbesserungsbedürftig in sozialdemokratischem Sinne.

Junge Frauen sind politische Pioniere

Frauen galten lange als tendenziell konservativ. Dieser Befund trifft heute nicht mehr zu, im Gegenteil: Die jungen Frauen sind politische Pioniere, ihre Einstellungen weisen in die Zukunft.

Junge Frauen bilden die Meinung von morgen. Die BRIGITTE-Studie enthält zahlreiche Hinweise darauf, dass mit den heute 18- bis 29-jährigen Frauen ein völlig neuer Frauentyp die Schulen und Universitäten verlässt, der sich auf dem Arbeitsmarkt, in der Gesellschaft und in der Familie selbstbewusster und fordernder Gehör verschaffen wird, der die öffentliche Meinung stärker prägen wird, als alle Frauengenerationen zuvor.

Junge Frauen bilden nicht nur die Meinung von morgen, sie setzen heute schon auf die Themen der Zukunft. Indizien für politische Präferenzen von jungen Frauen haben wir aus den Landtagwahlen in Hessen und Hamburg. Die Wahl entscheidenden Themen dort waren Bildung und Chancengleichheit, aber auch Umweltpolitik. In Hessen haben wir gesehen, wie das klassische Männerthema Wirtschaftspolitik zum Frauenthema werden kann: Wenn es mit einem anderen Politikfeld verknüpft wird: der Umweltpolitik bzw. der Ressourcenpolitik. Andrea Ypsilanti hat der oft nüchternen Wirtschaftspolitik einen Werteaspekt hinzugefügt, der Frauen überzeugt: die Perspektive der Nachhaltigkeit. Grundlegend ist hier die Idee, Wohlstand und Energie nicht auf Kosten der Umwelt und des Weltfriedens zu gewinnen. Die Vorstellung von Windparks und Solarfeldern sagt Frauen mehr zu als geostrategische Planspiele um Rohstoffe auf der Landkarte und die Aussicht auf Kriege um Gas und Öl. Diese Einstellung ist weder naiv noch romantisch. Sie ist progressiv und höchst rational. Ökologische Industriepolitik, nachhaltige Wirtschaftspolitik – das sind sozialdemokratische Zukunftsthemen. Wer sie als Partei besetzt, gewinnt die jungen Frauen.

Ab jetzt: Karriere mit Kind

Kind oder Karriere – das ist die Gretchenfrage der jungen Frauen von gestern und noch immer aktuell. Die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf wurde permanent gestellt, aber nie gelöst. Es gab eine Zeit, da wurden die Frauen mit dieser Frage gänzlich alleine gelassen. Das Ergebnis war eine Generation schlecht bezahlter „Teilzeit-Arbeiterinnen“ ohne realistische Karrierechancen und kinderloser „Karrierefrauen“. Zu dieser Misere kam das schlechte Gewissen. Denn die Gesellschaft diskriminierte beide Varianten: die einen als Rabenmütter, die anderen als Egoistinnen. Die unbeantwortete Vereinbarkeitsfrage blockierte und lähmte eine ganze Frauengeneration. Sie blieb hinter ihren Möglichkeiten – sowohl bei der Karriere als auch bei den Kindern. In Deutschland ist beides zu niedrig: die Erwerbsquote von Frauen (66 %) und die Geburtenquote (1,4 Kinder pro Frau).

Heute wird die Vereinbarkeitsfrage zumindest als gesamtgesellschaftliche Aufgabe gesehen und nicht mehr länger als Privatproblem jeder einzelnen Frau. Doch bis zu einer wirklichen Aufgabenteilung und einer realistischen Vereinbarkeitsperspektive stehen noch viele Stürme bevor. Denn bisher ist zwar das Problem benannt, aber regional noch sehr unterschiedlich gebannt. Klar ist, dass die junge Frauengeneration beides will: einen Beruf (94 Prozent) und Kinder (fast 90 Prozent). Klar ist auch, dass die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft davon abhängt, dass sie beides ermöglicht. Die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf verlagert sich damit endgültig vom Privaten ins Politische. Die SPD hat durch Krippenausbau, Gesamtschulausbau und Elterngeld bereits einen Kompetenzvorsprung. Aber diesen gilt es auszubauen. Das Ziel muss sein, Frauen endlich wirkliche Chancengleichheit zu ermöglichen.

99 % der jungen Frauen sagen von sich: „Ich weiß, dass ich gut bin.“ Doch sobald das erste Kind da ist, haben sie auf dem Arbeitsmarkt einen Wettbewerbsnachteil, weil das schwierigste Hindernis im Vereinbarkeitsderby die deutsche Arbeitskultur ist. Die neue, gut ausbildete Frauengeneration wird auf dem Arbeitsmarkt immer dringender gebraucht – und diese Machtstellung kann und muss sie nutzen, um die Arbeitswelt nach ihren Bedürfnissen umzugestalten. Das bedeutet: Schluss mit Testosteron getränkten 14-Stunden-Tagen, Schluss mit Meetings, die grundsätzlich nach Kindergartenschluss stattfinden, Schluss mit der ungleichen Bezahlung, Schluss mit der Bevorzugung von Männern bei Beförderungen. Und Schluss mit der Angewohnheit von Arbeitgebern, artikulierter Kompetenz den Vorzug zu geben vor angewendeter Kompetenz.

Kommunikation auf der Höhe der Debatte

Junge Frauen haben, wie oben gezeigt, ein sozialdemokratisches Gesellschaftsbild. Das bedeutet für die politische Kommunikation: Die Partei muss klare, eindeutig sozialdemokratische Botschaften senden. Wichtig ist aber auch, das Lebensgefühl der jungen Frauen zu treffen. Wer repräsentiert dieses Lebensgefühl? Alice Schwarzer ist es immer noch, die jedem zuerst einfällt, und ihre Verdienste für die Gleichberechtigung sind unbestritten. Doch auch wenn EMMA – also Schwarzer – „bis heute die feministisch korrekte Linie zu allen Fragen der Zeit vorzugeben versucht“, so stellt sie doch offensichtlich nicht die richtigen Fragen zur richtigen Zeit. Es ist ehrenwert, sich mit der Situation der Frau in anderen Ländern auseinanderzusetzen, aber wenn die feministische Debatte reduziert wird auf Pornographie, Beschneidung, Diätwahn und die Frau als Opfer in der Gesellschaftsordnung, dann erfüllt EMMA eben nicht die Rolle, die auf ihrer Startseite beansprucht wird: „EMMAs Rolle bleibt, das Mögliche von Morgen heute zu denken.“ Alice Schwarzer erinnert in ihrer Haltung ein wenig an Gerhard Schröder in der Elefantenrunde am Wahlabend.

Viele junge Frauen haben Alice Schwarzer das Vertretungsmandat längst entzogen. Sie möchten lieber selbst gehört werden und suchen die Öffentlichkeit, wie Katja Kullmann, Iris Radisch, Thea Dorn, Meredtih Haaf und Jana Hensel. Das Verdienst dieser „Alpha-Mädchen“ ist, dass sie dem Feminismus wieder eine Stimme geben – und zwar eine selbstbewusste, optimistische und fröhliche. Das ist ein Fortschritt, denn der Macht der ersten Feministinnen folgte bald die Ohnmacht der Sprachlosigkeit. Frauen wollten lange Zeit von Emanzipation und Feminismus nichts mehr wissen. Wer das Wort „Feminismus“ aussprach, war selbst in den Augen vieler Frauen ein verkrampftes, einsames Wesen. Mit Hilfe der Alpha-Mädchen konnten die jungen Frauen die sprachlose Ohnmacht überwinden. Sie trauen sich wieder, Ungerechtigkeiten zu artikulieren. Allerdings ist der Feminismus der „Alpha-Mädchen“ – diese Einschränkung muss erlaubt sein – an manchen Stellen naiv. Naiv darum, weil die Autorinnen den Eindruck vermitteln, Emanzipation im 21. Jahrhundert funktioniere ohne Konflikt, also letztendlich unpolitisch und damit wieder im privaten Raum. Im Feminismus geht es immer auch um die Benennung der Machtfrage. Das belegt auch die lebhafte Diskussion auf dem Hamburger Parteitag um einen Satz, der nun im SPD-Grundsatzprogramm steht: „Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden.“

Junge Frauen in der SPD: viel Haltung, wenig Halt

Junge Frauen empfinden die SPD als die Kraft, die ihre Anliegen thematisiert. Die SPD gilt nicht als Kanzlerwahlverein, sondern als Ort der Debatte. Dieses Ideal gilt es tatsächlich zu verkörpern, damit zukünftig mehr junge Frauen nicht nur eine Affinität zur SPD aufweisen, sondern auch eine Mitgliedschaft. Zurzeit befindet sich die SPD in einer paradoxen Lage: Die sozialdemokratische Haltung motiviert junge Frauen dazu, ihr Kreuz bei der SPD zu machen, aber Halt finden sie in den Strukturen der SPD (noch) nicht. Was sie stattdessen vorfinden, sind die gleichen Mechanismen und Spielregeln wie am Arbeitsplatz. Das ist ein Grund, warum viele Frauen der traditionellen Politik nach einer kurzen Episode wieder den Rücken zukehren und sich neuen Formen der politischen Partizipation zuwenden. Diese Parteiflucht entspricht nicht nur dem Zeitgeist, sie hat eine speziell weibliche Dimension.

Die SPD muss für die jungen Frauen Räume schaffen, die sie betreten, benutzen und gestalten wollen – sowohl virtuelle als auch reale. Immer wieder ist zu beobachten, dass in einem Ortsverein zwei Welten aufeinander treffen: Die männliche Mehrheit will über den Weltfrieden diskutieren, die weiblich Minderheit über konkrete Dinge definitive Verabredungen treffen. Es gibt einen Satz, der lustig klingt, aber einen typisch weiblichen Ausstiegsgrund beschreibt: „In dieser Sitzung wurde alles gesagt, aber noch nicht von jedem Mann.“ Frauen betrachten Gremiensitzungen oft als redundant, ineffizient und voller Selbstbeweihräucherungen. Sie bevorzugen Sitzungen, in denen nicht jeder Teilnehmer die Welt rettet, sondern ein gemeinsamer, umsetzbarer Beschluss gefasst oder eine Aktion geplant wird. Und sie bevorzugen Strukturen der Entscheidungsfindung, in denen die Entscheidung tatsächlich noch zu finden ist – unter Einbeziehung ihrer Erkenntnisse.

Keine Frauenpartei ohne Frauen

Frauen fühlen sich von der SPD angezogen, aber die SPD ist noch keine Frauenpartei – wie übrigens auch ein Blick auf das Organigramm der Parteizentrale zeigt. Und das ist der kritische Punkt in der noch jungen Beziehung zwischen der Sozialdemokratie und den jungen Frauen: Ihre Entscheidung für die SPD ist ein Vertrauensvorschuss, den sich die Partei noch verdienen muss.

Und weil zurzeit kein politischer Artikel ohne einen Verweis auf den amerikanischen Präsidentschaftsbewerber auskommt, bedanken wir uns abschließend bei Barack Obama: für seine Debattenkultur, die so inspirierend und einladend daherkommt. Besonders die jungen Frauen in den USA ließen sich von Obamas Reden, seinem Kommunikationsstil und seinen Zukunftsthemen überzeugen. Im Vorwahlkampf der Demokraten erschien er den Frauen zwischen 18 und 30 als der wahre Feminist, Hillary Clinton hingegen als Technokratin der Macht. Für die jungen Frauen war sie unglaubwürdig, weil sie erst auf die Feminismuskarte setzte, als sie Angst bekam, zu verlieren. Der Sie Obamas ist keine Niederlage des Feminismus in den USA, sondern ein Zeichen, dass der Feminismus sich verändert hat: Junge Frauen wählen nicht automatisch Frauen, sondern den, der ihre Interessen am besten vertritt. Für den Wahlkampf 2009 in Deutschland bedeutet das: Entscheidend ist der Inhalt, nicht das Geschlecht.